Angesichts der weltweit immer gravierenderen Auswirkungen des Klimawandels hört man immer häufiger von sogenannten Klimaflüchtlingen. Dabei handelt es sich um zig Millionen Menschen, deren Status als Klimaflüchtlinge völkerrechtlich (noch) nicht anerkannt ist.
Der Begriff „Klimaflüchtling“ wurde 2008 von den Wissenschaftlern Frank Biermann und Ingrid Boas geprägt. Er beschreibt Menschen, die aufgrund „plötzlicher oder schleichender Veränderungen ihrer natürlichen Umwelt“, die durch den Klimawandel verursacht werden, gezwungen sind, ihre Heimat zu verlassen. Dazu zählen der Anstieg des Meeresspiegels, extreme Wetterereignisse, Dürre oder Wasserknappheit. Obwohl die Zahl der Klimaflüchtlinge weltweit stetig steigt und bereits in die Millionen geht, ist dieser Status völkerrechtlich - insbesondere in der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 - noch nicht anerkannt. Die meisten Klimaflüchtlinge bewegen sich innerhalb ihrer Landesgrenzen, insbesondere in Regionen wie Subsahara-Afrika oder Südostasien.
Warum wird der Status des Klimaflüchtlings nicht anerkannt?
Nach der Genfer Flüchtlingskonvention von 1951 gibt es den Status eines „Klimaflüchtlings“ nicht, da die Konvention diesen Begriff nicht kennt. Anerkannter Flüchtling ist, wer aus Furcht vor Verfolgung wegen „Rasse, Religion, Nationalität, Zugehörigkeit zu einer bestimmten sozialen Gruppe oder politischer Überzeugung“ eine internationale Grenze überschritten hat. Umwelt- oder Klimafaktoren werden in der Konvention nicht erwähnt, weshalb der Begriff „Klimaflüchtling“ völkerrechtlich nicht korrekt ist.
Die katastrophalen Auswirkungen des Klimawandels zeigen jedoch, dass die Diskussion um die Anerkennung dieses Status vorangetrieben werden muss. Die Internationale Organisation für Migration (IOM) schlägt vor, den Begriff „Umweltmigranten“ zu verwenden, um Missverständnisse zu vermeiden. Auch andere internationale Organisationen wie die Vereinten Nationen haben den Zusammenhang zwischen Klimawandel und Migration erkannt. Ein Beispiel ist der Globale Pakt für Migration, eine nicht bindende Vereinbarung, die darauf abzielt, die Herausforderungen und Chancen im Zusammenhang mit Migration anzugehen. Die Vereinten Nationen stellen im Rahmen des Migration Multi-Partner Trust Fund finanzielle Mittel bereit, die speziell auf die Herausforderungen der Umweltmigration ausgerichtet sind.
Wie viele Klimaflüchtlinge gibt es und wohin fliehen sie?
Laut dem Global Report on Internal Displacement war 2023 ein Rekordjahr für die Zahl der Binnenvertriebenen. Weltweit waren 75,9 Millionen Menschen auf der Flucht, davon 26,4 Millionen aufgrund der Folgen des Klimawandels - Umweltkatastrophen, steigender Meeresspiegel und Wüstenbildung. Obwohl die meisten Klimaflüchtlinge derzeit innerhalb ihrer eigenen Landesgrenzen oder in unmittelbare Nachbarländer fliehen, wird erwartet, dass die Zahl der internationalen Klimaflüchtlinge in Zukunft steigen wird.
Interessant ist, dass viele Betroffene, vor allem auf den pazifischen Inseln, die bereits stark unter dem Klimawandel leiden, die Bezeichnung „Flüchtlinge“ ablehnen. Dies liegt unter anderem daran, dass sie oft innerhalb ihres eigenen Landes migrieren, zum Beispiel vom Land in die Stadt. Zudem bringt der Flüchtlingsstatus bürokratische Hürden und Unterstützungssysteme mit sich, die nicht immer den Bedürfnissen der Betroffenen entsprechen. Nach Prognosen der Internationalen Organisation für Migration (IOM) könnte die Zahl der Klimaflüchtlinge bis 2050 weltweit zwischen 44 und 216 Millionen liegen. Das Flüchtlingshilfswerk der Vereinten Nationen (UNHCR) zeichnet ein noch düstereres Bild: Ohne wirksame Klimaschutzmaßnahmen könnte die Zahl der Klimaflüchtlinge bis 2050 auf 200 bis 250 Millionen Menschen steigen. Besonders gefährdet sind Regionen wie West-, Zentral- und Ostafrika, Mittel- und Südamerika, Südasien und kleine Inselstaaten. Aber auch im bisher weniger betroffenen Europa könnten Dürren, steigende Temperaturen und Nahrungsmittelknappheit in Zukunft zu Migrationsbewegungen führen.
Der Fall Ioane Teitiota: Ein Präzedenzfall für Klimaflüchtlinge?
Obwohl der Status des „Klimaflüchtlings“ völkerrechtlich nicht anerkannt ist, gibt es Fälle in der internationalen Rechtsprechung, die auf mögliche Präzedenzfälle hindeuten. Ein prominentes Beispiel ist der Fall von Ioane Teitiota, einem Bürger der pazifischen Inselrepublik Kiribati. Teitiota beantragte 2012 Asyl in Neuseeland, da der steigende Meeresspiegel in Kiribati sein Leben und das seiner Familie bedrohe. Sein Antrag wurde jedoch sowohl von den neuseeländischen Behörden als auch vom Einwanderungs- und Schutzgericht abgelehnt, und er wurde 2015 abgeschoben.
Teitiota legte schließlich beim UN-Menschenrechtsausschuss Berufung ein und argumentierte, dass Neuseeland durch seine Abschiebung nach Kiribati sein Recht auf Leben verletzt habe. Im Jahr 2019 lehnte der UN-Ausschuss Teitiotas Antrag ab, erkannte aber die berechtigte Sorge an, dass der steigende Meeresspiegel Kiribati in den nächsten 10 bis 15 Jahren unbewohnbar machen könnte. Damit wurde erstmals in der internationalen Rechtsprechung ein Zusammenhang zwischen Klimawandel und dem Recht auf Leben anerkannt.
Zwei zentrale Punkte dieses Falles sind bemerkenswert: Erstens hat der UN-Ausschuss anerkannt, dass Staaten wie Kiribati mit Hilfe der internationalen Gemeinschaft Maßnahmen ergreifen müssen, um ihre Bevölkerung vor den Auswirkungen des Klimawandels zu schützen oder sie gegebenenfalls umzusiedeln. Zweitens wurde der Grundsatz der Nichtzurückweisung in Verbindung mit dem Recht auf Leben auch auf die Umweltmigration angewandt. Die Abschiebung an einen Ort, an dem der Klimawandel das Leben bedroht, könnte in Zukunft als Verletzung dieses Prinzips angesehen werden.
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